Darf man heute den Begriff Indianer noch verwenden?

Indianer – Indigene – Native American – First Americans – American Indian?

Indianer? Indianerschmuck und Indianerkunst? Sind diese Begriffe politisch und ethisch korrekt, oder sind sie eine Beleidigung für die amerikanischen Ureinwohner*innen? Sie bezeichnen sich selbst meist als “Native Americans” oder “American Indians”; in Kanada wird “First Nation” bevorzugt. Ihre größte Tageszeitung heißt aber immer noch Indian Country Today. Offenbar kämpfen sie selbst darum, ein Wort zu finden, das sie für sich als richtig akzeptieren können. Und keine dieser Bezeichnungen lässt sich einfach ins Deutsche übersetzen.
Es gibt in keiner indigenen Sprache einen Oberbegriff für alle indigenen Völker, die auf dem Gebiet der heutigen Vereinigten Staaten und Kanadas leben. “Indigene Völker” gibt es auch in Australien, Südafrika und in vielen anderen Gebieten der Welt, wo alte Kulturen von kolonisierenden Eindringlingen unterdrückt wurden und werden.
Und die amerikanischen Ureinwohner selbst ringen darum, wie sie genannt werden wollen, wie die folgenden Diskussionsbeiträge zeigen:

 

Wann immer möglich, verwende ich auf meiner Website englische Begriffe.

Doch mein Wunsch, das wunderbare und echte traditionelle Handwerk der Native Americans an die Bewohner und Bewohnerinnen der Schweiz und insgesamt an die Europäer zu vermitteln, birgt ein grosses Dilemma, das an die oben genannte Ausgangsfrage geknüpft ist. Suchmaschinen zeigen leider nur das, was gesucht wird: der weitaus grösste Teil der Besucherinnen und Besucher auf dieser Webseite suchen in Google, Bing, Yahoo, Ecosia, Entireweb oder einer der vielen anderen Suchmaschinen mit Begriffen, die eben “Indianer” enthalten.

So bin ich hin und hergerissen, meinen Künstlerinnen und Künstlern den gebührenden Respekt zu erweisen und gleichzeitig aber dafür zu sorgen, dass ihre Kunst im Internet auch gefunden und gekauft wird.

Wir erleben eine Zeit, in der einerseits sehr viele Menschen aus der bisher unreflektierten Tradition heraus, weiterhin als Indianer verkleidet zum Fasching gehen, in der nach Indianerflöten, Indianerschmuck, Indianer-Haarschmuck und Indianerkunst gesucht wird, um sie zu kaufen. Wer sucht in der Schweiz oder in Deutschland schon nach “Schmuck der Native Americans”? Gleichzeitig wächst das Bewusstsein dafür, dass hier eine kulturelle Überstülpung westlicher Begrifflichkeiten stattgefunden hat – ja, dass sogar die schon immer existenten Eigennamen schlicht Jahrhunderte lang ignoriert wurden.

Auch Klischees und falsche Stereotype sind Teil dieser Sprachverwendung. Wenn man so möchte, existieren auf der einen Seite die echten indigenen Nationen mit ihren spezifischen Kulturen – und auf der anderen Seite existiert ein völlig verzerrtes Bild von ihnen in unserem westlichen Sprach- und Bildungswesen. Das eine ist also, sprachethisch korrekte, antirassistische und anti-diskriminatorische Formulierungen nach und nach in den Sprachgebrauch zu bekommen und zugleich Klischees und Stereotype aus den Köpfen heraus, um den echten indigenen Nationen, ihren echten Lebensrealitäten und schliesslich auch – wie es mein Wunsch ist – ihren authentischen Produkten und Handarbeiten den Raum zu geben, den sie verdienen.

Im Blog, in dem prairie wind regelmässig News und Informationen zu den Indigenen der USA und Kanadas vermittelt, werden meist Texte anderer Autorinnen und Autoren vorgestellt. Werden sie ins Deutsche übersetzt, dann bleibt die Sprachverwendung des Originals massgebend. Heisst es dort also “American Indian”, dann wird dies mit “Indianer” übersetzt.

Eurozentrismus und die noch immer bestehende Ignoranz

Die Geschichte fängt schon falsch an: Europäer entern einen fremden Kontinent, finden Menschen vor, die sie noch nie zuvor gesehen haben und Kulturen und Lebensweisen aufgebaut haben, die völlig verschieden von den europäischen Lebensweisen sind. Statt hocherfreut, neugierig, offen und interessiert zu agieren, werden die indigenen Völker als primitiv und rückständig eingestuft, um die anschliessende jahrhundertelange Unterjochung dieser Menschen, den Landraub und die Unterdrückung fadenscheinig zu rechtfertigen.

Alle Native American-Tribes hatten und haben bestehende Sozial- und Politiksysteme, Religionen und Moralvorstellungen. Sie hatten und haben Sprachen und Worte für sich und ihre Umwelt.

Das Wort “Indianer” und alle sinnverwandten Bezeichnungen haben diese Europäer als ein von vielen Fremdbezeichnungen etabliert und alles was diese Nationen hatten, musste europäischen Vorstellungen und Zwängen von gesitteten Systemen, Religionen und Sprachen weichen. Nach Europa mitgebrachte Geschichten, Gegenstände und rassistische Einstellungen festigten in der gesamten westlichen Welt die verallgemeinernden Klischees der wilden kultur- und gottlosen “Indianer”. Mittlerweile ist zwar das Bewusstsein für diese menschlichen Verbrechen in der Geschichte durchaus allgemein vorhanden, die Folgen daraus sind aber bis heute präsent.

Die Native American Association of Germany e.V. schreibt in einem Beitrag:
“Obwohl im Internet massenweise Informationen zu finden sind, die von Native Americans [selbst] zur Verfügung gestellt werden, halten viele Organisatoren von “Indianerfesten”, “Indianercamps”, “Indianerfreizeiten” und “Indianerprojekten” an den gängigen Klischeevorstellungen fest.”

Es gibt eine Vielzahl von Begriffen, die falsch verwendet werden oder die von westlichen Nationen sogar erfunden wurden und in den sehr unterschiedliche indigenen Nationen, die auch alle über einen Kamm geschert werden, überhaupt nicht existieren. Weiterhin gibt es Fehlinterpretationen für Wörter und angeblich typische Gebärden und Bräuche, die äusserst unangenehm sind für Angehöriger indigener Kulturen.

Um ein paar Beispiele dieser Klischees zu benennen:

  • Stirnband mit Federn: Wird als typischer indianischer Schmuck gesehen und ist das klassischste Beispiel für eine absolut indifferente Betrachtung der unzähligen, sehr verschiedenen Kulturen, bei denen eben nicht alle und schon gar nicht den im Internet kaufbaren “Federschmuck” kennen und nutzen. Das Stirnband war eine Hollywood-Erfindung, da den weissen Schauspielern die Perücken mit den langen schwarzen Haaren immer wieder davonflogen!
  • Marterpfahl mit “Indianer-Kunst”: eine völlig absurde westliche Abwandlung eines Totempfahls, der selbst auch nur in einigen bestimmten nordamerikanische Kulturen Bestandteil ist.
  • “Squaw”: Laut gängigem Halbwissen steht das Wort in etwa für “Frau”, die etymologische Bedeutung ist jedoch sehr kontrovers und nicht eindeutig, in jedem Fall aber problematisch: teils in Anlehnung an weibliche Geschlechtsorgane, wurde es ausserdem schon von den Siedlern abwertend und z.B. im Sinne einer “Prostituierten” genutzt.

Respektierende und respektvolle Sprache

Es liegt ein langer Prozess vor allen, die sich bereits darum bemühen, angemessene Bezeichnungen wie Native Americans, Ureinwohner, Ethnien und die ganzen Eigenbezeichnungen der indigenen Völker in den allgemeinen Gebrauch zu bringen und über die Kulturen dahinter aufzuklären. Für jeden einzelnen bietet sich die Möglichkeit, den eigenen Sprachgebrauch zu überprüfen und sich diesen bewusst zu machen. Ausserdem lohnt es sich immer, viel Wissen aufzunehmen und sich aktiv mit den vorhandenen Quellen zu beschäftigen, die genau diesen Beitrag leisten möchten.

Sprache ist kein starres Konstrukt sondern stetige Entwicklung, diese Entwicklung ist eine sehr positive, da sie uns mit den Menschen hinter den falschen Klischees in Berührung bringt – so kann jeder von uns mit viel Respekt und Achtung vor einander einen kleinen und grossen Beitrag zu einem würdigeren Umgang miteinander leisten.

Der prairie wind Kodex

Das sind die Gründe, warum im prairie wind Onlineshop die Begriffe “Indianer”, “Indianerschmuck” und “indianische Kunst” nach Möglichkeit vermieden werden. Ich biete handgefertigten indigenen Schmuck, originäre Kunst, Handwerksstücke und Musikinstrumente, die von indigenen Künstlerinnen und Künstlern der Nationen Nordamerikas hergestellt wurden. Es gibt also keinen “Navajo Indianerschmuck”, sondern Schmuck- und Webarbeiten der Navajos oder Beadwork und Moccasins der Blackfeet , um nur 2 der Nationen zu nennen, dessen eigenes Schaffen wir in unserem Shop anbieten dürfen. Mit dem Verkauf von authentischen Produkten der Native Americans verbinde ich die Verantwortung, Tradition und kulturelle Vielfalt zu vermitteln:

Authentizität

Alles ist ausschliesslich von Native Americans gefertigt. Ausserdem finden Sie keinerlei Gegenstände, die in den nativen  Kulturen von spiritueller Bedeutung sind oder nur in der Phantasie von westlichen Nationen über nordamerikanische Völker existieren.

Handarbeit

Jedes Produkt in meinem Shop ist ein einzigartiges Erzeugnis indigener Fertigungstraditionen.

Unikate

Abgesehen von den Moccasins (Mokassins) und den CDs handelt es sich ausschliesslich um Einzelstücke, die mit einem Zertifikat geliefert werden.

Fairer Handel

prairie wind unterhält seit vielen Jahren enge und direkte Beziehungen mit Angehörigen nordamerikanischer Nationen wie Dakota/Lakota, Blackfeet, Zuni, Hopi, Kewa und Navajo, die auf Reservaten in South Dakota, Montana, Minnesota, New Mexico und Arizona leben. Wir kaufen alles direkt bei den Künstlern, der weisse Zwischenhandel ist damit ausgeschaltet, den Künstlern ist ein höherer Verkaufspreis und somit einen sicheren Verdienst garantiert.

Sie haben Fragen oder wünschen vertiefende Informationen zu einzelnen Stücken? Ich berate Sie sehr gerne und freue mich auf Ihre Fragen. Nehmen Sie jederzeit gern Kontakt zu mir auf!

Ihre

iris herzig

Weiterführende Informationen

Seit mehreren Jahren wird in vielen Foren darüber diskutiert (und noch mehr debattiert), ob “Indianer” und verwandte Begriffe weiterhin verwendet werden dürfen oder nicht. Weitere Beispiele dafür findest du in den Artikeln auf der Website der Native American Association of Germany eV .

Neben der Aufklärung und Diskussion über die Legitimität der im alten Europa geprägten Begriffe geht es vielen Organisationen auch um ganz konkrete, greifbare Unterstützung für die indigene Bevölkerung Nordamerikas auf verschiedenen Ebenen: Supporting organizations for Native Americans

[/ux_text]